Praxis-Tipps

Stationsgottesdienste

Rund 1600 Jahre sind sie alt und sie erfreuen sich weiterhin und wieder einer gewissen Beliebtheit: die Stationsmessen in Rom.

Als ich vor rund 15 Jahren in der Ewigen Stadt lebte, konnte ich mehrere Fastenzeiten nutzen und Kirchen der Stadt besuchen, die am betreffenden Tag „Stationskirche“ waren. In alter Zeit war der Papst am entsprechenden Tag in einer feierlichen Prozession zur Stationskirche gekommen und hat dort die Eucharistie gefeiert. Der Auftakt der Fastenzeit am Aschermittwoch mit dem Heiligen Vater in Santa Sabina auf dem Aventin ist davon noch übrig geblieben. Jede der Kirchen hat ihre eigene Schönheit und vielfach gibt es Besonderheiten im Bau, in der Ausstattung und Ausschmückung etc. Eines ist gleich: Sie waren und sind Messorte, Orte des Gottesdienstfeierns. Jesus Christus ist präsent – im Allerheiligsten im Tabernakel, im Wort Gottes, in der feiernden Gemeinde.

Bei Recherchen im Internet begegneten mir deutsche (Pfarr-)Gemeinden, die „Stationsgottesdienste“ hielten: im Gasthaus, in einer Werkstätte, in einer Feuerwache … Es ist das Anliegen, Gottes Präsenz auch an diesen Orten aufscheinen zu lassen. Freilich muss das nicht eine Eucharistiefeier sein und verständlicherweise muss der Rahmen mitgedacht werden. Aber es erscheint mir doch wichtig und richtig: Hinausgehen und Gottes Präsenz aufzeigen. Anders gesagt: Jesus ist in Rom nicht nur im Lateran (Mutter aller Kirchen), nicht nur in Sankt Peter etc. gegenwärtig, auch in den kleinen, manchmal unscheinbaren Kirchen ist er präsent. Aber bei aller Verdichtung auf den Kirchenraum und seine sakrale Struktur: Jesu Präsenz auch im Alltag, an Orten der Alltagswirklichkeit von Arbeitswelt oder in gemeinschaftlichen Einrichtungen zu erkennen, darauf hinzuweisen und dies dort zu feiern, das ist ein ungewohnter Ansatz. Es geht nicht darum, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Es geht darum, unseren Glauben sichtbar zu machen und zu den Menschen zu tragen. Anbietend, nicht okkupierend; einladend, nicht beängstigend fordernd. Das gelingt meiner Meinung nach, wenn man Gottes Wirken an den verschiedenen Orten des Lebens beispielhaft aufzeigt.

Prozessionen kennt man nur mehr zu einzelnen spezifischen Festen (Fronleichnam o.ä.) oder zu bestimmten Anlässen (Flurprozessionen o.ä.). Aber Prozessionen zu Orten des alltäglichen Lebens und dann dort eine – wie auch immer zu gestaltende – Feier der Gegenwart Gottes, das würde einen Aha-Effekt in der Gesellschaft geben. Selbstverständlich braucht das Vorbereitungszeit und Abklärungen organisatorischer Art: Wer muss gefragt werden? Wie sieht das konkret aus? Wer macht was? Wie vermeidet man Fehlinterpretationen (Demonstrationen von radikalen Gruppierungen o.ä.)? … Es gibt vielerlei Fragen. Aber es gibt auch das Grundanliegen: Den eigenen christlichen Glauben nicht im Schneckenhaus zu leben. Die Kirchenräume sind nicht die Schneckenhäuser, sie sind vielmehr die Herzkammern unserer Pfarrgemeinden, aber in ihnen wird regelmäßig das „Ite, missa est. Geht, es ist Sendung!“ gesprochen, dann aber im alltäglichen Leben „da draußen“ nur sehr eingeschränkt gelebt – so mein Eindruck.

Auf meinen Wegen zu den Stationskirchen in Rom, in der Regel vor Beginn der ersten Vorlesungsstunde an der Uni, war ich nicht allein. Wir gingen als Gemeinschaft, meist als kleine Gruppe. Es war eine freiwillige Teilnahme, keiner wurde dazu verpflichtet. Das gilt auch heute: Wer sich auf den Weg machen will, Orte der Präsenz Gottes aufzuzeigen, muss, ja soll das nicht allein tun. Es mag aber auch niemand dazu verpflichtet werden.

Wir waren meist ziemlich früh unterwegs, der „Alltag“ des Studiums und anderer Dinge begann nach dem Besuch der Stationskirche. Das ist nun keine zeitliche Empfehlung für Stationsgottesdienste in moderner Form und an Orten des Alltags, es ist aber der Hinweis auf die Frage: Wann ist ein guter Zeitpunkt? Nicht nur in punkto Tagesablauf, sondern auch allgemein: Manche Orte und Einrichtungen sind früher anfragbar und „gehen mit“, andere sind eher mittel- oder langfristig anzufragen.

Vor oder nach der Feier des Gottesdienstes in der entsprechenden Kirche in Rom gab es eine kurze Zeit der „Besichtigung“ des Messortes. Das Besondere des Ortes sehen und würdigen zu können, gehört auch heute dazu! Jeder Ort ist anders, die Rahmenbedingungen sind immer anders, auch natürlich die Menschen dort. Das zu sehen und zu würdigen, ist ein christliches Grundanliegen!

Ein letztes: Nach der Messe und vor Beginn des Studientages blieb i.d.R. Zeit für ein italienisches (typischerweise kleines) Frühstück in einer der nahegelegenen Bars. Gemeinschaft stärkte und stärkt sich in der Präsenz Gottes im Hören auf sein Wort, im gemeinsamen Singen und Beten. Aber auch ein Cornetto (Croissant) und ein Cappuccino fördern die Gemeinschaft.

Anhalten (eine „Statio“ – Stehenbleiben – erleben), Gottes Präsenz sehen und feiern, Gemeinschaft stärken, weitergehen. Das ist mit den Sta-tionsgottesdiensten 1600 Jahre alt und an sich das Ur-Moment des Gottesdienst-Feierns. Wer phantasievoll neue Stationes findet, führt dies auch auf einer neuen, niederschwelligen Form, weiter. Darauf möge Gottes Segen liegen. Robert Paulus

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