Praxis-Tipps

Ein Wort zum Kauen

Das „Wort auf den Weg“ als geistlicher Impuls

In Karl Immermanns Erzählung „Der Oberhof“ (1839) gibt es eine eigenartige Szene, die sich nach jedem Essen so ähnlich abspielt: 

„Die Knechte und Mägde, welche gesondert von den Herrenplätzen am andern Ende der langen Tafel saßen, waren ganz stumm und blickten nur auf die Schüssel, aus welcher sie mit ihren Löffeln die Speise zum Munde führten. Nachdem sie aber abgegessen und sich die Mäuler gewischt hatten, trat eines nach dem andern vor den Herrn und sagte ‚Baas (Herr), meinen Spruch‘. Der Hofschulze teilte hierauf jedem eine sprichwörtliche Redensart oder eine Bibelstelle mit. Nachdem jeder auf solche Weise bedacht worden war, gingen alle zu ihren Arbeiten, der eine gleichgültig, der andere betroffen aussehend. Der Jäger hatte diesem Unterrichte mit Erstaunen zugehört und fragte nach dessen Beendigung, was er bezwecke. ‚Daß sie darüber nachdenken‘, sagte der Hofschulze. ‚Wenn sie heute abend zusammenkommen, so sagen sie mir, was sie sich bei den Sprüchen gedacht haben.‘“

„Baas (Herr), meinen Spruch“: Das erinnert an eine Gepflogenheit der Wüstenväter, die mitunter von anderen oder jüngeren Mönchen gebeten wurden: „Vater, gib mir ein Wort.“ Die Apophthegmata Patrum enthalten viele solcher rhemata, Aussprüche, die eine wichtige Art des geistlichen Lehrens und Lernens darstellten, denn sie mussten bedacht, „gekaut“ werden, um ihre tiefere Bedeutung für das eigene spirituelle Leben zu erschließen.

„Und nun noch ein Wort auf den Weg:“ Der Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried pflegte so Gottesdienste zu schließen. Auch das ist eine Möglichkeit, einen wesentlichen Satz des Evangeliums, der Schriftlesungen oder Homilie den Gläubigen mit in den Tag oder die nächste Woche zu geben. Manche Aussagen der Schrift sind sperrig, schwer verständlich, erscheinen uns fast wie ein Zumutung. Sie müssen ebenfalls gekaut werden, meditiert, gebetet. Nur so können sie auch aufgenommen werden und dem geistlichen Leben dienen. Ein solches „Wort auf den Weg“, wie es auch an vielen Tagen in Liturgie konkret plus mitgegeben wird, kann eine gute Hilfe für das geistliche Leben der Gläubigen bedeuten. 

Guido Fuchs

(aus: Liturgie konkret 10/18)

 

 

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