Aus der Redaktion

Das Kreuzzeichen

Zum Fest Kreuzerhöhung (14. September)

In der Klosterkirche „Mariä Himmelfahrt“ im niederbayerischen Rohr hängt an einer Säule im Eingangsbereich, die das Weihwasserbecken trägt, ein Plakat; darauf steht in großen Lettern: „Ich nehme Weihwasser. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Mit diesen Worten bist du getauft worden. Dieses kleine Glaubensbekenntnis soll dich erinnern: Du bist Christ.“ Die Kirche wird Tag für Tag von vielen Touristen besucht, weil sie von dem berühmten Architekten Egid Quirin Asam in 18. Jahrhundert ausgestaltet wurde. Viele der Besucher wissen vielleicht nicht, was das Weihwasserbecken bedeutet, wissen es vielleicht auch nicht mehr – deshalb dieser Hinweis über dem Becken selbst.  

Wie macht man das Kreuzzeichen?

Es fehlte eigentlich nur noch, dass auf dem Plakat zu lesen ist, wie das Kreuzzeichen auszuführen ist: Mit den ausgestreckten Fingern der rechten Hand von der Stirn zur Brust und von der linken zur rechten Schulter. In orthodoxen Kirchen, etwa in Russland, kann man es erleben, dass eifrige Mütterchen den eintretenden Gästen, die oftmals schon an der Art des Kreuzzeichens als Nicht-Orthodoxe erkannt werden, das richtige Verhalten im Gottesdienst erklären, auch die Art der Bekreuzigung. Denn das Kreuzzeichen ist mehr als ein Wort begleitender Gestus: Es ist Ausdruck eines Glaubensbekenntnisses. Es bezieht sich auf das Kreuz des Herrn und macht unter Umständen auch Aussagen über das Wesen Christi und die Dreifaltigkeit. Die Hand, die Finger und deren Haltung machen den Glauben begreiflich – im wahrsten Sinne des Wortes. 

Und weil das Kreuzzeichen am Anfang und am Ende (Segen) der Eucharistiefeier steht, ist es wie eine Klammer, die diese Feier umspannt und sie uns sinnenfällig machen will: Als ein Kreuzesgeschehen, das sich nicht nur gedanklich, sondern in Körper, Geist und Seele ausdrückt.

Siegel der Dreieinigkeit

Als christliches Bekenntniszeichen begegnet schon sehr früh das kleine Kreuzzeichen auf der Stirn. Es wurde mit dem Daumen oder mit einem anderen Finger ausgeführt, wohl zunächst in der Form eines T (tau), wie es im Buch Ezechiel (Ez 9,4) und, darauf bezogen, in der Geheimen Offenbarung des Johannes beschrieben ist (Offb 7,2–4). Es ist ein Siegel, die Kennzeichnung eines Besitzes: In diesem Sinne der Zugehörigkeit zum dreieinen Gott zeichnen es noch heute die Eltern bei der Taufe auf die Stirn ihres Kindes. Daher singen wir auch im Lied GL 635 „Das Siegel der Dreieinigkeit wird niemals von mir weichen“, und im Ersten Hochgebet der Messfeier wird der Verstorbenen gedacht, „die uns vorangegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens“.

Jesu Name

Noch mehr wurde das große Kreuzzeichen auf Stirn, Brust und Schultern ein Glaubensbekenntnis: Die bei den orthodoxen Christen übliche Handhaltung mit zusammengefügten Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand ist Ausdruck des Glaubens an die Trinität; die beiden übrigen Finger, nach innen geknickt, deuten auf die beiden Naturen Christi (göttlich und menschlich). Die von den Katholiken, aber auch Orientalen abweichende Abfolge des Querbalkens von der rechten zur linken Schulter wird als spiegelbildlicher Nachvollzug der Geste des Segnenden gedeutet. Die Fingerhaltung des Segnenden wiederum soll den Christusnamen anzeigen, wie es Michael Kunzler darstellt: Der gerade Zeigefinger ist das I, der gekrümmte Mittelfinger das C (griechisch für S), die kreuzförmig zusammengelegten Daumen und Ringfinger das X (= Ch) und der gekrümmte kleine Finger das zweite C (=S): IC-XC: Iesous Christos (Die Liturgie der Kirche, 1995, 171f.)

In der Auseinandersetzung mit den Lateinern wurde diesen von den Byzantinern auch vorgeworfen, mit allen fünf Fingern der rechten Hand zu segnen und den Querbalken der rechten zur linken Schulter zu ziehen. Älter ist wohl der Brauch, das Kreuzzeichen mit zwei Fingern (Zeige- und Mittelfinger) zu machen, wie es von den Armeniern noch praktiziert wird; er ist Ausdruck des Glaubens an die beiden Naturen Christi und steht im Gegensatz zur Praxis der so genannten Monophysiten, die ihr Bekenntnis im Kreuzzeichen auf die Stirn mit nur einem Finger anzeigten.

Hand als Merkhilfe

Die Hand als Merkhilfe religiöser Inhalte begegnete früher in vielfältigem Zusammenhang. Schon im Buch Exodus wird im Zusammenhang der Herausführung des Volkes Israel aus Ägypten von einem Merkzeichen an der Hand gesprochen (Ex 13,9), das zu dem bis heute im orthodoxen Judentum gebräuchlichen Ritus der „Hand-tefillin“ geführt hat. Im Mittelalter gab es „Merkhände“ nicht nur für die Musik („Guidonische Hand“), die Alchemie, die Naturharmonie und vieles anderes mehr. Auch in der Christenlehre fand sie Verwendung, hier wurde neben anderem auch der Glaube an die Dreifaltigkeit über die Hand als Gedächtnishilfe vermittelt. 

Gegenüber der Fülle des damit vermittelten Lernstoffes nimmt sich die Bekreuzigung unter gleichzeitigem Aussprechen des Namens der Trinität als handgreifliches Erinnerungszeichen des Glaubens eher einfach aus. Es sollte nur nicht versäumt werden, auch immer wieder darauf hinzuweisen – das muss ja vielleicht nicht überall auf einem Plakat sein. 

Guido Fuchs

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